Eigentlich wollten wir an dieser Stelle Weihnachtsbräuche, die in Verbindung mit Blumen und Pflanzen stehen, vorstellen – aber abseits von Adventskränzen und Weihnachtsbäumen gibt es da nur wenig. Auch Weihnachtsgeschichten, in denen Blumen eine Rolle spielen, sind rar. So haben wir kurzerhand der Kreativität freien Lauf gelassen und selbst Die Geschichte von der Sternrose geschrieben. Wir hoffen, dieser etwas andere Beitrag in diesem Blog gefällt Ihnen und wünschen damit Ihnen und Ihren Lieben ein besinnliches Weihnachtsfest, an dem alle mindestens so strahlen wie die Sternrose es tut!
„Mama, haben wir gar kein Geschenk für Oma Hilde?“ Saskia schaute ihr Mutter mit großen Augen an. Etwas genervt und mit härterer Stimme als beabsichtigt fuhr diese sie an: „Du weißt doch genau, sie ist nicht deine richtige Oma. Sie passt nur auf dich auf, wenn Papa und ich wegen der Arbeit keine Zeit haben. Sie sagte mir, sie will keine Geschenke, sie hat ja alles, was sie braucht. Ich hab ihr einfach etwas mehr Geld fürs Aufpassen in diesem Monat gezahlt.“
Kaum waren die Worte ausgesprochen, rauschte Saskias Mutter auch schon wieder durch die Wohnung und sammelte hastig ein paar Dinge zusammen. „Jetzt trödele nicht so rum, Kleines. Wir müssen los!“ Und so dachte Saskia nicht länger nach, sondern beeilte sich, die Schuhe und die Jacke anzuziehen und sich ihren kleinen Rucksack zu schnappen. Heute wollte Oma Hilde vielleicht mit ihr malen und dazu bräuchte sie ihre Stifte.
Auch Saskias Mutter war nun fertig angezogen und schaute besorgt auf ihre Uhr. Saskia kannte diesen Blick – er verhieß, dass ihre Mutter sich verspäten würde und dann Ärger mit ihrem Chef bekäme. Das erzählte sie schließlich immer, wenn Saskia mal wieder die Zeit vergaß und nicht rechtzeitig fertig war.
Später an diesem Tag, es war der 23. Dezember und somit einen Tag vor Weihnachten, saß sie mit Oma Hilde an deren Küchentisch und sie überlegten gemeinsam, was Saskia malen könnte. Oma Hilde schlug ihr so einiges vor, zum Beispiel ihre Eltern, einen Weihnachtsbaum oder auch das Haus, in dem sie wohnen. Doch all das fand das Mädchen nicht wirklich interessant. Als Oma Hilde dann vorschlug, doch ihren größten Weihnachtswunsch aufzumalen, machte sie sich jedoch begeistert ans Werk und versuchte sich daran, ein Laptop in leuchtendem Pink zu malen.
Während die 6-Jährige ins Malen vertieft war, dachte ihre Oma Hilde an längst vergangene Weihnachtsfeste und plötzlich fiel ihr wieder ein, was das schönste Geschenk für sie gewesen war. Sie war gerade 19 Jahre alt und schon einige Monate mit Karl ausgegangen – dem jungen Mann, der in der Autowerkstatt ein paar Straßen weiter arbeitete. Sie wusste, er hatte nicht viel Geld zur Verfügung, da er sich noch in der Ausbildung befand. Und sie wusste auch, dass er traurig war, ihr kein teures Weihnachtsgeschenk machen zu können. Sie selbst stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus und hatte schon eine schöne Uhr für ihren Freund besorgt.
Ohne, dass sie sich richtig bewusst darüber war, erzählte sie der kleinen Saskia diese Geschichte. Und sie berichtete auch darüber, wie ihr Freund Karl beschämt vor ihrer Tür stand, sein Geschenk in Empfang nahm und sich immer wieder entschuldigte, dass er kein großes Geschenk für sie hatte. Er zögerte sogar, ihr die Blume zu überreichen, die er hinter dem Rücken versteckt hatte. Dann aber holte er die weiße Rose hervor und erinnerte sie an einen schönen Sommerabend, an dem sie gemeinsam auf der Mauer vor Hildes Elternhaus saßen und die Sterne betrachteten. Hilde erzählte ihm damals, dass sie weiße Rosen über alles liebte und dass diese fast so schön strahlen würden, wie die Sterne.
Karl hatte sich Hildes Worte gemerkt, auch wenn sie diese unbedacht ausgesprochen hatte. Und nun überreichte er ihr diese makellose weiße Rose und für Hilde strahlte sie heller als alle Sterne zusammen. Kein Geschenk hätte schöner sein können und Karl war im Anschluss auch glücklich, dass sie sich so über dieses eher kleine Geschenk freuen konnte. Saskia hatte inzwischen aufgehört zu malen und lauschte der Geschichte von Oma Hilde. Das Telefon riss sie beide aus der schönen Stimmung heraus und nur eine Minute später verkündetet Oma Hilde, dass Saskias Mutter sie gleich abholen würde.
Am Morgen des 24. Dezembers ging es wieder hektisch bei Saskia zu. Ihr Vater brachte noch ein paar Lichterketten an, die Mutter hantierte in der Küche herum und Saskia schien überall im Weg zu stehen. Da sie ihre Eltern nicht noch weiter verärgern wollte, zog sie sich in ihrem Zimmer leise Jacke und Schuhe an, schnappte sich wieder ihren Rucksack und beschloss, Oma Hilde noch einmal zu besuchen. Die wohnte schließlich nur ein paar Häuser weiter und die Mutter erlaubte es ihr hin und wieder, diesen Weg am Tag allein zu gehen. Sie wollte Oma Hilde nur schnell ein schönes Weihnachtsfest wünschen – dann würde sie wieder nach Hause gehen und ihre Eltern würden es gar nicht bemerken.
Doch so schnell kam sie nicht bei ihrer Oma an – der Blumenladen, der auf dem Weg lag, weckte ihre Aufmerksamkeit. Sie erinnerte sich an die Geschichte, die Oma Hilde ihr erzählt hatte und an die Freude, die sie über das Blumengeschenk empfunden hatte. Ohne noch länger zu überlegen, ging Saskia in den Blumenladen und reihte sich in der Schlange derer ein, die noch schnell ein Blumen-Geschenk besorgen wollten. Endlich an der Reihe, kramte sie die kleine Geldbörse aus ihrem Rucksack, in der sie immer das Geld verwahrte, dass sie auf Gehsteigen fand. Sie legte all das Geld, es waren immerhin 43 Cent, auf den Verkaufstresen und forderte mit fester Stimme: „Ich möchte die schönste Sternrose, die sie haben!“ Die Floristin wusste natürlich mit dem Begriff Sternrose nur wenig anzufangen und so erzählte Saskia ihr von der weißen Rose, die schöner strahlte als alle Sterne zusammen – und dass sie diese Rose ihrer Oma, die eigentlich gar nicht ihre Oma ist, schenken wollte.
Nur zehn Minuten später stand Saskia freudestrahlend bei Oma Hilde vor der Tür, klingelte und hielt ihr kleines, aber so kostbares Geschenk hinter ihrem Rücken versteckt. Die Floristin hatte ihr wirklich die allerschönste Sternrose gegeben. Sie war nicht nur weiß und perfekt, sondern sogar noch mit Glitzer bestäubt und funkelte im Licht wie ein Stern. Saskia war so froh, dass ihr Geld für diese kostbare Sternblume gereicht hatte und sie sogar drei Cent wieder einstecken durfte. Und als Oma Hilde jetzt die Tür öffnete, streckte Saskia ihr die Rose entgegen und strahlte mit ihr um die Wette.
Als wenige Minuten später Saskias Mutter in der Wohnung von Oma Hilde stand und schon schimpfen wollte, fand sie die alte Frau glücklich lächelnd vor und auch ihre Tochter empfing sie freudestrahlend. Noch bevor sie Saskia dafür rügen konnte, einfach loszugehen, ohne ihr Bescheid zu geben, erzählte das Mädchen ihr von dem Einkauf im Blumenladen, der Sternrose und warum diese so wichtig war. Aller Ärger war im Nu verflogen und Saskias Mutter war vielmehr unheimlich stolz auf ihre Tochter. Sie hatte mit dieser kleinen Geste ein so großes Herz bewiesen und auch ihrer Mutter vor Augen gehalten, dass Geld nicht den Wert eines Geschenks ausmachte. Kurzerhand lud Saskias Mutter daher Oma Hilde, die Weihnachten schon seit einigen Jahren allein verbrachte, für den Abend ein und merkte einmal mehr, wie glücklich sie sich schätzen konnte, eine so nette Frau in der Nachbarschaft zu haben, die gern ein Auge auf ihre Saskia hatte – und ihr sichtlich gut tat!